Die Reform des liechtensteinischen Insolvenzrechts

20.10.2020 , Insolvenzrecht

von Tijana Braubach

Das liechtensteinische Insolvenzrecht trägt den Ruf veraltet, unmodern und nicht mehr der europäischen Rechtslage entsprechend zu sein, zumal der Fokus bis dato in der Zerschlagung und Verwertung (Liquidation bzw. Konkurs) liegt. Die aktuelle Rechtslage bietet einem insolventen Unternehmen keine Möglichkeit eine Sanierung durchzuführen und der vorgesehene Nachlassvertrag hat praktisch keine Relevanz, was oft das „Aus“ für das Unternehmen bedeutet. Auch für natürliche Personen besteht keine adäquate Möglichkeit einer Entschuldung. Vielmehr ist es für natürliche Personen eine nahezu unüberwindbare Hürde, die Verfahrensöffnung zu erreichen, da das Gericht mangels vorhandener Vermögenswerte einen Kostenvorschuss vom Schuldner verlangt.

Ausgehend von dieser unbefriedigenden Situation, hat die Regierung im Rahmen der Sitzung vom 05. Mai 2020 den Vernehmlassungsbericht der Regierung vom 18. Juni 2019 (LNR 2019-855) betreffend die Reform des Insolvenzrechts zuhanden des Landtags verabschiedet. Die Reform ist vom Leitgedanken „Sanieren statt Liquidieren“ getragen und fokussiert sich auf die Schaffung eines attraktiven Sanierungsverfahrens. Dem österreichischen Insolvenzrecht folgend, sollen neben der Erleichterung im Bereich der Unternehmenssanierung auch Privatkonkursregeln geschaffen werden. Es sollen für natürliche Personen drei situationsabhängige Verfahrensformen eingeführt werden: Sanierungsplan, Zahlungsplan und Abschöpfungsverfahren.

Nachfolgend sollen die Schwerpunkte und die Neuerungen der Gesetzesform kompakt erläutert werden:

  • Das Sanierungsverfahren und Konkursverfahren werden terminologisch unter dem Überbegriff „Insolvenzverfahren“ zusammengefasst. Folglich wird die Terminologie im Gesetz entsprechend angepasst (z.B. „Konkursverfahren“ wird zu „Insolvenzverfahren, „Konkursmasse“ zu „Insolvenzmasse“, „Konkursgläubiger“ zu „Insolvenzgläubiger“, …).
  • Die Sanierung des Unternehmens setzt selbstredend dessen Fortführung voraus. Wenn dies wirtschaftlich sinnvoll ist, wird künftig ausdrücklich der Fortführung des Unternehmens der Vorrang gegenüber der Zerschlagung eingeräumt. Die von den Gläubigern anzubietende Mindestquote soll hierfür von 40 % auf 20 % herabgesetzt werden. Zudem soll die Annahme des Sanierungsplanes deutlich erleichtert werden, indem das Zustimmungserfordernis von derzeit zwei Drittel auf die einfache Mehrheit reduziert wird. Weiters soll für gesicherte Gläubiger eine Sperrfrist von sechs Monaten für die Geltendmachung von Absonderungsansprüchen eingeführt werden.
  • Um die Fortführung durch einen Sanierungsplan nicht dadurch zu gefährden, dass Gläubiger aufgrund Verzuges des Schuldners die Verträge kündigen und dadurch die Sanierung verhindern, soll entsprechend dem „UNCITRAL Legislative Guide on Insolvency Law“ das ordentliche Kündigungsrecht und das Rücktrittsrecht der Vertragspartner ausgeschlossen werden.
  • Das Insolvenzverfahren wird entweder als „Konkursverfahren“ durchgeführt, sofern bei Eröffnung des Verfahrens kein Sanierungsplan vorliegt oder aber als „Sanierungsverfahren“ für den Fall der Vorlage eines Sanierungsplans noch vor Eröffnung, wobei auch eine besondere Variante des Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung eingeführt werden soll. Bei der neuen Sanierung durch Eigenverwaltung für Unternehmen, die ohne eigenes Verschulden in die Insolvenz hineingeschlittert sind, bestehen höhere Risiken als bei der Sanierung durch Fremdverwaltung. Deshalb bedarf es eines entsprechenden Finanzplans und einer Mindestquote von 20 %.
  • Die aktuell bestehenden vier Konkursklassen werden - nach internationalen Leitbildern folgend - abgeschafft und wird die Grenze zwischen Masse- und Insolvenzforderung neu definiert.
  • Um die Mitwirkungsmöglichkeiten der Gläubiger zu stärken, soll ein Gläubigerausschuss vorgesehen werden, welcher das Gericht und den Insolvenzverwalter entlasten soll.
  • Der Abschluss eines Sanierungsplanes für Privatpersonen soll künftig durch flexiblere Bestimmungen erleichtert und eine Zahlungshöchstfrist von bis zu fünf Jahren vorgesehen werden. Eine Mindestquote von 20 % soll dennoch notwendig sein. Die Gläubiger werden über die Annahme des Sanierungsplanes entscheiden. Sollte der Inhalt des Sanierungsplanes nicht erreicht werden können, kommt ein Zahlungsplan ohne zahlenmässige Mindestquote in Betracht. Als Bemessungszeitraum gelten die folgenden fünf Jahre. Die Zahlungsfrist kann kürzer oder länger sein, maximal aber sieben Jahre. Auch hier werden die Gläubiger über die Annahme des Zahlungsplanes entscheiden. Schliesslich soll das Abschöpfungsverfahren zu Tragen kommen, mit welchem mit der Vermögensverwertung begonnen wird. Binnen fünf Jahren soll der Schuldner sich um ein Einkommen bemühen und in dieser Zeit den pfändbaren Teil seiner Einnahmen den Gläubigern zur Verfügung stellen. Wenn der Schuldner sich an die vereinbarten Zahlungen hält, so kann dieser nach fünf Jahren schuldenfrei werden. Die Restschuldbefreiung wird ohne Zustimmung der Gläubiger gewährt.

Dies waren einige aber doch wesentliche Bestimmungen der gegenständlichen Gesetzesreform, welche das Insolvenzrecht unter dem Leitgedanken „Sanieren statt Liquidieren“ modernisieren sollen. Der Landtag hat die Gesetzesänderung am 01. Oktober 2020 in zweiter Lesung behandelt und vom Landtag einstimmig abgesegnet. Die Regierung äusserte bereits, dass ein Inkrafttreten des neuen Insolvenzrechts mit Beginn des Jahres 2021 ermöglicht werden könnte.

 

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